Dieselverbilligung: Fragwürdige Klimaschutzmassnahme mit vielen Nachteilen Negative Folgen für die Gesundheit - Unsichere Wirkung auf das Klima
Heutige Dieselfahrzeuge emittieren deutlich mehr Schadstoffe als Benzinfahrzeuge. Aus gesundheitlicher Sicht sind die hohen Partikelemissionen besonders problematisch. Aber auch die Wirkung der geringeren CO2- Emissionen von Diesel gegenüber Benzin auf das Klima wird durch die Mehremissionen anderer Schadstoffe abgeschwächt oder sogar umgekehrt. Aus diesen Gründen lehnt das OcCC die Senkung der Mineralölsteuer beim Dieseltreibstoff, wie sie momentan im Parlament diskutiert wird, ab. Eine allfällige Förderung von Erdgasund Biogas-Treibstoffen könnte hingegen sinnvoll sein.
Als Massnahme zur Abschwächung der Klimaerwärmung und zur Erfüllung der Kyoto- Verpflichtungen hat die Schweiz das CO2-Gesetz geschaffen, das bis 2010 gegenüber 1990 eine Reduktion der CO2-Emissionen um 10% vorsieht. Der Ständerat hat am 6. März 2002 eine Motion gutgeheissen, die eine haushaltneutrale Verbilligung von Diesel (25 Rp./l) und von Erd-, Flüssig- und Biogas (50 Rp./l) vorsieht. Damit soll der CO2- Ausstoss des Verkehrsbereichs reduziert werden. Der Nationalrat wird die Motion voraussichtlich in der kommenden Session behandeln. Das Beratende Organ für Fragen der Klimaänderung (OcCC) des EDI und UVEK lehnt diese Motion ab. Es ist unsicher, ob mit der Motion ein Beitrag gegen die Klimaänderung und zur Erfüllung des CO2-Gesetzes und der Kyoto-Verpflichtungen erreicht werden kann. Zudem wären unerwünschte Nebeneffekte in den Bereichen Luftreinhaltung und Gesundheit zu erwarten. In der Schweiz werden bereits heute praktisch alle Lastwagen mit Diesel betrieben. Eine Umlagerung von Benzin auf Diesel wäre deshalb nur bei Personenwagen (PW) zu erwarten. Diesel-PW emittieren 10-15% weniger CO2 als Benzin-PW. Gleichzeitig würde jedoch der Treibstoff für den Schwerverkehr billiger und somit die Transpor tkosten gesenkt. Als Folge wäre mit Lastwagen-Mehrverkehr und entsprechend grösseren CO2- Emissionen zu rechnen. Die Mineralölsteuer ist bereits heute pro ausgestossenes Kilogramm CO2 beim Diesel tiefer als beim Benzin. Eine steuerliche Begünstigung, die den Vorteil der geringeren C O2-Emissionen übersteigt, ist in Anbetracht der höheren Emissionen anderer Schadstoffe nicht sinnvoll.
Problematisch für die Gesundheit
Eine wichtige Rolle spielen die unerwünschten Nebeneffekte einer Dieselförderung: Aus lufthygienischer, gesundheitlicher und ökologischer Sicht ist eine generelle Förderung von Dieselfahrzeugen beim heutigen Stand der Technik kontraproduktiv. Diesel-PW ohne Partikelfilter emittieren auch bei Einhaltung der Euro-4-Norm (gültig ab 2005) 100 bis 1000 Mal mehr Feinstaub, hauptsächlich Russpartikel, und auch mit Partikelfilter 3 Mal mehr Stickoxide als Benzinfahrzeuge. Die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung wie Feinstaub (PM10) und Stickoxide sind heute wissenschaftlich gut belegt. Kurzfristige Folgen sind u.a. Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen, Pneumonien und Herzrythmusstörungen. Zu den langfristigen Folgen gehören chronisch bronchitische Symptome, Lungenkrebs oder Abnahme der Lungenfunktion. Feinstäube aus Dieselmotoren weisen einen vergleichsweise hohen Anteil Krebs erregender Substanzen auf.
Russpartikel und Stickoxide
Russpartikel wirken ähnlich wie Treibhausgase erwärmend auf das Klima. Stickoxide fördern die Bildung von Ozon, das nach CO2 und Methan das drittwichtigste Treibhausgas ist. Der angestrebte Effekt des geringeren CO2-Ausstosses bei Umlagerung von Benzinauf Diesel-PW auf das Klima wird durch die höheren Partikel- und Stickoxidemissionen und dem entstehenden Ozon abgeschwächt oder sogar umgekehrt. Die Verweilzeiten von Russpartikeln, Stickoxiden und Ozon in der Atmosphäre sind gegenüber der von CO2 allerdings gering. Für die Klimaerwärmung ist also CO2 langfristig problematischer.
Technische Massnahmen gegen die hohen Partikel- und Stickoxidemissionen sind nicht absehbar. Für Personenwagen ist zurzeit kein Partikelfilterobligatorium vorgesehen. Heute bietet nur ein Fahrzeughersteller serienmässig Dieselfahrzeuge mit Partikelfilter an, verschiedene Hersteller haben Modelle mit Filter angekündigt. Sie entfernen bis 99% der Partikel aus dem Abgas. Die gleichzeitige Reduktion der Partikel- und der Stickoxidemissionen ist technisch jedoch noch nicht ausgereift und wird auch in den nächsten Jahren nicht in Serienfahrzeugen erwartet.
Volkswirtschaftliche Nachteile
Aus volkswirtschaftlicher Sicht weist die Dieselverbilligung grundsätzlich in eine falsche Richtung: die externen Kosten (Gesundheitskosten) werden erhöht, die Mobilität wird verbilligt und der erwünschten Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene wird entgegengewirkt. Ein Teil der Wirkung der LSVA würde so wieder aufgehoben und das Erreichen der Ziele in der Luftreinhaltung weiter verzögert.
Nachteilig auf die Kyoto-Verpflichtungen der Schweiz dürften sich die absehbaren Veränderungen beim Tankverhalten auswirken. Momentan wird in der Schweiz rund 15% weniger Diesel verkauft als verbraucht. Mit der angestrebten Preissenkung wäre Diesel in der Schweiz billiger als in den Nachbarländern. Ausländische Fahrzeuge, insbesondere LKW im Transit, würden vermehrt in der Schweiz auftanken. Dadurch würde die Kyoto-Bilanz der Schweiz verschlechtert und der Druck für die Einführung der CO2-Steuer erhöht.
Sinnvolle Förderung von Erd- und Biogas-Treibstoffen
Die Förderung von Erd- und Biogas-Treibstoff erachtet das OcCC hingegen als sinnvoll, sofern sie nicht zu Mehrverkehr führt. Im Gegensatz zur Förderung von Diesel-PW weist die Förderung von Erdgasfahrzeugen kaum negative Begleitfolgen oder gesundheitliche und ökologische Nachteile auf. Gleichzeitig weist die Erdgasversorgung Potentiale für die Beimischung von einheimisch erzeugtem Biogas auf, das neben energie- und klimapolitischen Vorteilen auch zu einer verstärkten Wertschöpfung im Inland führt. Insgesamt weisen Erdgas- und insbesondere Biogasfahrzeuge das deutlich grössere Entwicklungspotential hinsichtlich der Reduktion von Treibhausgasen, gesundheits- und umweltgefährdenden Schadstoffen sowie bezüglich der Energieversorgungssicherheit auf als Benzin- und Dieselfahrzeuge.
In der EU ist die Förderung von Erdgasfahrzeugen geplant und in Deutschland bereits angelaufen. Aus technologischer und wirtschaftlicher Sicht macht deshalb der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur und die Förderung von Erdgasfahrzeugen auch in der Schweiz durchaus Sinn.